EU bekräftigt auf Gipfel Beitrittsperspektive der Westbalkan-Staaten
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben die EU-Staats- und Regierungschefs den Westbalkan-Ländern eine Stärkung der Beziehungen zugesagt. In die Beitrittsprozesse sei "wieder Schwung gekommen", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag auf dem Westbalkan-Gipfel in der albanischen Hauptstadt Tirana. Die Staaten müssten jedoch entscheiden, auf welcher Seite sie stünden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte ähnliche Forderungen insbesondere an Serbien.
Auf dem Gipfel in Tirana berieten die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten sowie der sechs Westbalkan-Länder Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien über eine Vertiefung ihrer Beziehungen - auch mit Blick auf den Ukraine-Krieg.
Es gehe bei dem Krieg auch um die Frage, ob sich "Autokratien und das Recht des Stärkeren" durchsetzten oder "die Demokratie und der Rechtsstaat", sagte von der Leyen. Staaten müssten sich entscheiden, auf welcher Seite sie stünden: "Auf der Seite der Demokratie? Das ist die Europäische Union", führte sie aus. Für alle sechs Westbalkanstaaten sei das Ziel eine EU-Mitgliedschaft.
Auch EU-Ratspräsident Charles Michel bekräftigte die Beitrittsperspektive der Westbalkanstaaten: "Die Zukunft unserer Kinder wird mit dem Westbalkan in der EU sicherer und wohlhabender sein, und wir arbeiten sehr hart daran, Fortschritte zu erzielen."
Derzeit gelten sieben Länder insgesamt als EU-Beitrittskandidaten. Neben den Neulingen Ukraine und Moldau sind dies die Türkei, Nordmazedonien, Montenegro, Serbien und Albanien. Auch Bosnien-Herzegowina kann auf den Status eines Beitrittskandidaten hoffen. Das Kosovo, das 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt hatte und von Belgrad nach wie vor als abtrünnige Provinz angesehen wird, wird von der EU als "potenzieller Kandidat" eingestuft.
Die kosovarische Präsidentin Vjosa Osmani kündigte an, den Antrag auf EU-Mitgliedschaft bis Ende des Jahres einreichen zu wollen. Allerdings stehen einem Beitritt enorme Hürden im Weg: Genau wie Serbien weigern sich auch die EU-Mitgliedstaaten Spanien, Griechenland, Zypern, Rumänien und die Slowakei, die Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen.
Bundeskanzler Scholz rief Serbien und andere Länder auf dem Gipfel auf, die EU-Sanktionen gegen Russland umzusetzen. "Wir erwarten von den Beitrittsländern, dass sie sich an der Sanktionspolitik der Europäischen Union ausrichten", sagte Scholz zum Abschluss des Treffens. "Ähnliches gilt für die Frage der Visumspolitik."
Serbien gilt unter den sechs Westbalkan-Ländern als engster Verbündeter Russlands. Die Bundesregierung hat das Land bereits mehrfach aufgerufen, die bisher acht Sanktionspakete der EU gegen Russland mitzutragen. Zu seiner Haltung zu Russland befragt, entgegnete der serbische Präsident Aleksandar Vucic, Serbien sei "ein unabhängiges Land".
Von den Westbalkanstaaten verlangt Brüssel zudem ein Ende der Visa-Erleichterungen für Drittstaatler, die dann in die EU weiterreisen. Serbien hat laut EU-Kommission inzwischen Abkommen zur visafreien Einreise mit Tunesien und Burundi ausgesetzt, ähnliches ist mit Indien geplant.
Weiteres Konfliktthema ist die steigende Zahl der Migranten auf der Balkanroute. Nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex von Oktober kamen seit Jahresbeginn über die Balkanroute mehr als 106.000 Menschen irregulär in die EU, rund 170 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Das ist der höchste Stand seit 2016.
Nach Angaben von der Leyens berieten die Teilnehmerländer auf dem Gipfel zudem über Roaming-Gebühren sowie über die Energiesicherheit. Sie wies in diesem Zusammenhang auf ein Energie-Unterstützungspaket der EU in Höhe von einer Milliarde Euro hin. Damit sollen zum einen Haushalte und Unternehmen in den Westbalkanstaaten unterstützt und zum anderen Investitionen in die Infrastruktur für saubere Energien ermöglicht werden.
(A.Laurent--LPdF)