Erste Hinrichtung eines Demonstranten seit Beginn der Proteste im Iran
Erstmals seit Beginn der Proteste im Iran vor fast drei Monaten ist ein Todesurteil gegen einen Demonstranten vollstreckt worden. Am Donnerstag wurde ein 23-jähriger Mann hingerichtet, der bei einer Straßenblockade in Teheran ein Mitglied der paramilitärischen Basidsch-Milizen verletzt haben soll, wie die iranische Justiz mitteilte. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warf der Führung in Teheran "Menschenverachtung" vor, auch Frankreich und Großbritannien verurteilten die Hinrichtung scharf.
Der Iran wird seit dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini am 16. September von Protesten erschüttert. Die 22-Jährige war drei Tage nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei wegen eines nicht ordnungsgemäß getragenen Kopftuchs gestorben. Aktivisten werfen der Polizei vor, die junge Frau misshandelt zu haben.
Bei Protesten am 25. September habe der "Randalierer" Mohsen Schekari den Sattar-Khan-Boulevard in Teheran blockiert und einen Basidschi mit einer Machete an der Schulter verletzt, erklärte die iranische Justizbehörde auf ihrer Website Misan Online. Am Donnerstagmorgen sei er hingerichtet worden.
Ein Revolutionsgericht in Teheran hatte Schekari den Angaben zufolge am 1. November wegen "Kriegsführung gegen Gott" verurteilt - dieser Vorwurf ist einer der schwersten Straftatbestände des iranischen Rechts. Am 20. November habe das Oberste Gericht die Berufung abgewiesen und damit die Vollstreckung des Urteils erlaubt.
Laut der Justizbehörde wurde Schekari für schuldig befunden, "in der Absicht zu töten, Terror zu verbreiten und die Ordnung und Sicherheit der Gesellschaft zu stören" gekämpft und seine Waffe gezogen zu haben.
Bundesaußenministerin Baerbock warf dem Iran "Menschenverachtung" vor. "Die Menschenverachtung des iranischen Regimes ist grenzenlos", schrieb sie im Onlinedienst Twitter. Schekari sei in "einem perfiden Schnellverfahren" abgeurteilt und hingerichtet worden, "weil er anderer Meinung als das Regime war". Die Drohung einer Hinrichtung werde aber "den Freiheitswillen der Menschen nicht ersticken".
Auch das französische Außenministerium verurteilte die Hinrichtung scharf. Sie stehe in einer Reihe mit anderen "schwerwiegenden und inakzeptablen Verstößen" im Iran, sagte die Ministeriumssprecherin Anne-Claire Legendre. Der britische Außenminister James Cleverly zeigte sich "schockiert". Die Welt könne nicht die Augen "vor der blinden Gewalt verschließen, die das iranische Regime gegen sein eigenes Volk verübt".
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International äußerte sich "entsetzt". Die Hinrichtung entlarve die Unmenschlichkeit "des sogenannten iranischen Rechtssystems". Der Leiter der Organisation Iran Human Rights (IHR), Mahmood Amiry-Moghaddam, forderte eine starke internationale Reaktion - "sonst müssen wir täglich mit Hinrichtungen von Demonstranten rechnen". Schekari sei "in Schauprozessen ohne ordentliches Verfahren zum Tode verurteilt worden", schrieb er auf Twitter.
Der Menschenrechtsaktivist Hossein Ronaghi, der bis Ende November selbst im Iran in Haft saß, warnte die Regierung in Teheran vor "schwerwiegenden Folgen". "Einem Menschen das Leben zu nehmen, bedeutet uns allen das Leben zu nehmen. Haben Sie genug Galgen?", schrieb er auf Twitter.
Insgesamt hat die iranische Justiz bereits elf Angeklagte im Zusammenhang mit den Protesten zum Tode verurteilt. Am Dienstag wurden fünf Demonstranten zum Tode verurteilt, die im November an der Tötung eines Mitglieds der Basidsch-Milizen beteiligt gewesen sein sollen. Die paramilitärische Miliz, die sich aus Freiwilligen rekrutiert, untersteht den mächtigen Revolutionsgarden.
Teheran bezeichnet die Demonstranten als "Randalierer" und wirft westlichen Ländern und kurdischen Exil-Gruppen vor, die Proteste zu unterstützen. Bei der Niederschlagung der Proteste wurden nach Angaben von IHR schon mindestens 458 Menschen getötet.
(R.Lavigne--LPdF)